Wie uns fehlender Rhythmus und fehlende Gemeinschaft in die Überforderung treiben
„Die Menschen halten heute einfach nichts mehr aus und kippen bei der kleinsten psychischen Belastung um. Was haben unsere Vorfahren nach dem 2. Weltkrieg nicht alles erlebt? Das Land war zerbombt, die Männer sind gefallen oder sind schwer verletzt oder traumatisiert nach Hause gekommen. Trotzdem musste es weitergehen und niemand hatte damals ein Burnout.“
Aussagen wie diese, sind von Vertretern der Generation 50+ oft genug zu hören – manchmal auch in abgewandelter, aggressiverer Tonart.
Auf den ersten, oberflächlichen Blick haben jene, die diese Aussagen treffen, Recht. Wie können wir nur unsere heutige Belastung im Berufs- und Privatleben mit jener in den Nachkriegsjahren vergleichen. Die Menschen damals hatten (noch) keine Perspektive, die Aufbruchsstimmung nach dem Wiederaufbau und das darauffolgende Wirtschaftswunder waren noch weit entfernt.
Wir hingegen betreiben „Jammern auf hohem Niveau“: Wir leben nach Maßstäben der Nachkriegsjahre in absolut luxuriösen Umständen, leisten uns aufwändige Urlaube, leben das Prinzip der Wegwerfgesellschaft nicht nur im Konsum sondern auch in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen. Und dann, beim geringsten Anflug einer beruflichen oder privaten Überforderung schlittern wir ins Burnout. Oder ins Long COVID, das als Sammelbegriff auch die Symptome auch einer Leistungsdepression (=Burnout) beinhaltet, zuletzt immer mehr dafür auch herhalten muss.
Wie eingangs erwähnt: Oberflächlich betrachtet, halten wir heutzutage einfach nichts mehr aus. Früher waren die Menschen einfach stabiler, sind mit handfesten Krisen viel besser umgegangen als unsereins.
Etwas tiefer betrachtet, greift diese einfache Feststellung zu kurz. Nehmen wir als Beispiel die viel zitierten „Trümmerfrauen“, die nach Kriegsende das Leben in den zerbombten Städten Deutschlands und Österreichs zu meistern hatten. Viele waren sicherlich überfordert, hatten unsägliche Zukunftsängste und wenig Vertrauen ins Leben. Dennoch vollbrachten sie schier Unmögliches und leisteten ihren Beitrag zum Wiederaufbau. Auch in der Landbevölkerung lag es oft an den Frauen, die durch Tod, Gefangenschaft oder Verletzung abwesenden Männer zu ersetzen.
Falls es den Begriff damals schon gegeben hätte: Litten diese Menschen damals an Burnout? Fehlanzeige!
Deshalb drängt sich eine zentrale Frage nach dem direkten Vergleich immer mehr in den Vordergrund:
Was gab den Menschen nach dem 2. Weltkrieg diese bewundernswerte physische Stabilität, die uns in der heutigen „Wohlstandsgesellschaft“ fehlt?
Antwort:
Die Menschen von damals wurden von zwei wesentlichen Säulen getragen: Rhythmus und Gemeinschaft
Beides ist uns allen mehr oder weniger in den letzten Jahrzehnten abhandengekommen. Eine Gegenüberstellung der beiden wesentlichen Unterschiede zwischen damals und heute:
Der Rhythmus oder der „Takt der Natur“
Damals: | Heute: |
Gemeinschaftliches Leben
Damals: | Heute: |
---|---|
Fazit
Es geht bei dieser Gegenüberstellung nicht darum, die „früheren Zeiten“ zu glorifizieren. Dennoch lohnt ein kritischer Blick zurück, was in unserer Gesellschaft im Lauf der Jahrzehnte auf der Strecke geblieben ist. Sind wir wirklich so fortschrittlich geworden?
Und vor allem kann sich jeder von uns folgende kritische Frage stellen: Was kann ich in meinem engsten Einflussbereich tun, dass das Gute von damals in Heute integriert werden kann?
Alles hat einen Rhythmus und ist in Gemeinschaften organisiert – die Natur lebt uns dies täglich vor. Betrachten wir selbst unser Leben, wo wir aus diesem gemeinschaftlichen Rhythmus ausgestiegen sind – und wir erhalten viele Antworten zur Verbesserung unseres irdischen und seelischen Daseins.
Auf ein baldiges Wiederlesen!
Dein Andreas Reisenbauer
Image by Gerd Altmann from Pixabay