Wenn ein Paar vor einer schwierigen Situation steht, ist der Gang zum Paartherapeuten oder Paarberater oft ein erster Schritt aus der emotionalen Sackgasse. Da der Titel dieses Blogbeitrags suggerieren könnte, dass Männer tendenziell dieser Methode reserviert gegenüberstehen, möchte der – männliche – Schreiber dieser Zeilen folgendes festgehalten: Wir Paartherapeuten und Paarberater erleben das Phänomen in unseren Praxen, dass die männlichen Vertreter der oft gescholtenen „jüngeren Generation“ weit offener diesem Thema zugewandt sind. Will heißen: Für die 20- bis 30-jährigen ist eine Paarberatung ein ähnlich unaufgeregter Prozess wie der Gang zum Hausarzt des Vertrauens.
Selbstverständlich gibt es auch viele Vertreter meines Geschlechtes, die sich weit jenseits des 30. Lebensjahres befinden, und mit ihrer Partnerin bei einer Beratung die gemeinsame Paarbeziehung reflektieren bzw. ev. sogar Schritte zur Änderung einleiten.
ABER: Bei einem Großteil der Männer löst alleine das Wort „Paarberatung“ oder „Paartherapie“ einen allergischen Schock oder zumindest Schnappatmung aus. Sein intimstes Innerstes vor einer „Psycho-Tante“ oder einen „Psycho-Onkel“ auszubreiten – nein, das geht überhaupt nicht!
Hier eine kleine Auswahl an Ausreden, die Männer ihren Frauen präsentieren, wenn letztere die Paarbeziehung mit Hilfe eines außenstehenden Dritten verbessern möchten:
bq. „Das kriegen wir schon selber hin.“
„Fahren wir mal wieder ein paar Tage in die Therme, dann passt es schon wieder.“
„Ich weiß nicht, was du hast. Bei uns ist doch eh alles in Ordnung. Auch anderen Paaren geht es ab und zu mal schlechter.“
„Das wird schon wieder. Wahrscheinlich hast du es wieder mit deinen Hormonen…“
„Wenn wir öfters Sex hätten, hätten wir auch weniger Probleme und du wärst nicht so unzufrieden.“
Na, liebe weibliche Leserinnen dieses Blogartikels? Schon mal so eine Aussage von Ihrem „Schatzi“ vernommen?
Mit diesen Killerphrasen, die keine weitere Diskussion über dieses Thema zulassen, wird dann der Vorstoß der Frau abgehakt. Das Thema ist – zumindest für den Mann – vom Tisch. Und die Probleme werden weiterhin unter den Teppich gekehrt. Wohl wissend, dass diese sich im Laufe der Jahre zu einem immer größeren Berg an Verletzungen, Missverständnisse und unerfüllte Wünsche anhäufen werden.
Bevor ich speziell den geschätzten Leserinnen dieses Blogartikels ein paar Tipps mit auf den Weg gebe, möchte ich Sie ein wenig mit der männlichen Psyche vertraut machen, warum ein derartiges Vermeidungsverhalten erkennbar ist.
Achtung, nun folgende einige Generalisierungen, die im Einzelfall sich natürlich anders darstellen können:
Grundsätzlich ist für einen Mann ein Gang zu einer Paarberatung oder Paartherapie mit massiven Kontrollverlust verbunden. Welche Themen werden vom Berater/Therapeuten angesprochen? Werde ich mit Fehlern konfrontiert, für dich ich keine Gegenargumente habe? Wird die Situation dadurch vielleicht noch schlimmer? Werde ich Handicaps haben, weil ich mich kommunikativ nicht so gut ausdrücken kann?
Da die Beratungs- und Psychotherapieszene zu einem großen Teil von Frauen geprägt ist, kommt zudem noch die Angst des Mannes dazu, dass sich die Therapeutin oder auch die Beraterin mit der Partnerin solidarisieren könnte.
Dies sind die am häufigsten geäußerten negativen „Erwartungshaltungen“ von Männern gegenüber einer Beratung oder Therapie. Der Vollständigkeit halber sei hier erwähnt, dass dies speziell bei Männern in den ersten Anfangsminuten einer Beratung sogar durch eine immense Körperanspannung sichtbar wird. Dies verfliegt allerdings rasch, sobald „Mann“ merkt, dass hier ein gleichberechtigter Prozess wertschätzend moderiert wird.
Gut, nun kennen wir die Schwellenangst, die viele Männer eine Paarberatung meiden lässt.
Wie motiviere ich nun meinen Mann zu einer Paarberatung?
Jetzt sind wir bei der Einstiegsfrage dieses Blogartikels angelangt. Wie kann ich meinen Mann den noch zu einer Paarberatung bzw. Paartherapie bewegen?
Diese Frage kennt wohl jeder Psychologe, jeder Therapeut und jeder Berater nur zu gut. Hier einige Tipps in einer nicht zufällig gewählten Reihenfolge, wir beginnen bei der geringsten Eskalationsstufe – und gehen jeweils zur nächsten vor, wenn die vorherige Variante nicht zielführend war:
Eskalationsstufe 1:
Versuchen Sie in einem Gespräch mit Ihrem Mann die eingangs erwähnten Schwellenängste indirekt anzusprechen und die Sorgen zu zerstreuen. Überlassen Sie auch dem Mann die Wahl des Beraters oder des Therapeuten.
Eskalationsstufe 2:
Erklären Sie Ihrem Mann, dass Sie keinesfalls mehr gewillt sind, diese Beziehung so weiterzuführen wie bisher. Wenn Kommunikation unter den Partnern nicht möglich ist, braucht es eine außenstehende 3. Person. Setzen Sie Ihrem Partner eine Frist von zwei bis drei Wochen, wo er einen Termin für eine Paarberatung ausmacht.
Eskalationsstufe 3:
Ist diese Frist ergebnislos verstrichen, muss Ihr Partner die Konsequenzen spüren. Reduzieren Sie die Kommunikation auf das Nötigste (z. B. die gemeinsamen Kinder etc.) und reduzieren Sie Ihre Arbeitsleistung im gemeinsamen Haushalt drastisch. Sie werden sich wundern, was ein Berg von liegengebliebener Wäsche oder Geschirr schon so alles bewirkt hat.
Eskalationsstufe 4:
Gehen Sie in weiterer Folge auf räumliche Distanz in der gemeinsamen Wohnung bzw. im gemeinsamen Haus. Verlassen Sie auch das gemeinsame Bett. Zärtlichkeiten können eben nur ausgetauscht werden, wenn auch die Kommunikationsbasis stimmt.
Eskalationsstufe 5:
Unternehmen Sie viel mit Freundinnen und Bekannten, bleiben Sie auch das eine oder andere Mal über Nacht weg, ohne dies groß vorher anzukündigen.
Eskalationsstufe 6:
Fruchten all diese Schritte nichts, führt der Weg an einer Vorstufe von „Trennung auf Zeit“ kein Weg vorbei. Ihr Partner muss wissen, dass es Ihnen ernst ist. Ein Auszug über mehrere Tage bringt auch hier bereits oft Dynamik in das System.
Eskalationsstufe 7:
Erst der letzte Schritt sollte die klare Botschaft beinhalten: „Wenn du mit mir nicht bereit bist, an unserer Beziehung zu arbeiten, werde ich die Scheidung einreichen.“ Dazu müssen Sie dann auch bereit sein, den Kontakt zu einem Anwalt zu suchen, der ein solches Papier zumindest für Sie vorbereitet. Im besten Fall benötigen Sie dieses natürlich nicht wirklich. Es ist das allerletzte Druckmittel. Sollten Sie nicht verheiratet sein und in einer Partnerschaft leben, wäre das Äquivalent zum Scheidungspapier ein juristisches Schreiben bezüglich der Gütertrennung und die Regelungen bezüglich Alimente und Besuchslösungen, wenn es gemeinsame Kinder gibt.
Sie werden sich beim Lesen dieser Eskalationsschritte sicherlich gedacht haben: „Muss das wirklich sein, dass ich meinem Partner die Daumenschrauben derart ansetze, damit er mit mir einen Neustart macht?“
Die Antwort ist ein klares JA!
Schön wäre es, wenn Sie nicht bis zur Eskalationsstufe 7 gelangen müssten. Seien Sie aber versichert: Wenn Sie nichts unternehmen, bleibt dennoch nichts wie es ist. Die Beziehung verschlechtert sich über die Jahre sukzessive und Sie und Ihr Partner verlieren wertvolle Lebenszeit. Ganz zu schweigen von der Vorbildfunktion, die Sie für Ihre Kinder innehaben. Sie und Ihr Partner sind der erste Beziehungsentwurf für die spätere „Beziehungszukunft“ ihrer Kinder. All das, was Sie an Konfliktlösung und Beziehungsarbeit vorleben, wird Ihr Nachwuchs auch übernehmen. All das, was Sie unterlassen, ebenso.
Aus meiner jahrelangen Praxis kann ich Sie aber beruhigen: Viele Paare kommen nach Erreichen der Eskalationsstufe 7 zu mir in die Praxis – und schaffen endlich durch das gemeinsame Reden einen Neustart. Ohne Scheidung und ohne Trennung.
Auch Ihnen wünsche ich, dass Sie diese Kurve kratzen – auch wenn teilweise harte Bandagen angelegt werden müssen. Die sind leider nötig, denn das männliche Beharrungsvermögen (in vielen Situationen ein Vorteil) ist nicht zu unterschätzen.
Auf ein baldiges Wiederlesen!
Dein Andreas Reisenbauer
(Bild von domitian auf Pixabay)